Im Januar plante ich unsere Radreise über die Alpen. Unsere Älteste war diesmal nicht mit dabei, da sie ihre Cousine und ihre Tante in den USA besuchen wollte. Wir waren also zu Viert: mein Mann Felix, unser 11-jähriger Sohn und die 7-jährige Tochter. Da es bei unseren Pfingstradtouren eigentlich immer regnet, es um diese Jahreszeit in den Alpen auch noch richtig kalt werden kann und damit unser Gepäck nicht so schwer ist, buchte ich im Voraus Zimmer in Hotels oder Pensionen. Damals war vom 9-Euro Ticket keine Rede. Als dann aber im Mai in der Presse diskutiert wurde, ob man die Fahrradmitnahme in Nahverkehrszügen einschränken sollte, wurde mir ganz Bange. Genau am Pfingstsonntag sollte es losgehen. Also schaute ich, ob es irgendwelche Alternativen zum Zug gab oder wir die Räder schon eine Woche früher nach Füssen transportieren könnten. Aber eine wirklich sinnvolle Lösung gab es nicht. Wir nahmen die früheste Zugverbindung die möglich ist. Nach 5 Kilometern Fahrt kamen wir zum Bahnhof. Kurz vor 8 Uhr stiegen wir in die S-Bahn, die zwar für Sonntag Morgen relativ voll war, aber wir fanden Problemlos mit unseren Rädern Platz.
Im zweiten Zug von Nürnberg nach Augsburg hatten wir überraschenderweise fast durchgehend ein komplettes Abteil für uns alleine.
Im dritten Zug, der uns nach Füssen brachte, war es zunächst entspannt, dann stiegen immer mehr Jugendliche in Tracht und mit deutlichem Alkoholpegel (offensichtlich auf dem Weg zu einem Volksfest) in den Zug, bis dieser brechend voll war. Wir waren sehr froh, als wir in Füssen um die Mittagszeit ausstiegen. Da für den Nachmittag Gewitter angesagt waren, beeilten wir uns, auch wenn Füssen und der schöne Radweg am türkisblauen Lech zum Verweilen eingeladen hätten.
Nur am Lechfall legten wir einen kurzen Fotostopp ein.
Bald kamen wir zu unserem erste Pass, dem Kniepass, der schnell bezwungen war. Noch schien die Sonne.
Aber schon bald zogen dunkle Wolken herauf.
Als wir in Reutte ankommen, war das Gewitter schon ganz nahe. Während wir noch nach einem Unterschlupf suchten, begann es zu regnen. Wir fanden einen Imbiss, in dem wir – so die Hoffnung – das Gewitter abwarten könnten. Allerdings waren wir noch nicht wirklich weit gekommen. Als es aufgehört hatte zu donnern, zogen wir unsere Regenponchos an und fuhren wieder los. So lange, bis das nächste Gewitter auf uns zurollte. Zu allem Überfluss hatten wir auch noch eine Abzweigung übersehen. Wir standen also in einem kleinen Ort in einer Wohnsiedlung als es wieder blitzte und donnerte. Jetzt weiterzufahren erschien uns zu gefährlich und wir stellten uns bei einem Wohnhaus unter das Vordach. Im Nachhinein bemerkten wir, dass es ein Glück war, dass wir uns verfahren hatten, denn sonst hätte uns das Gewitter mitten im Wald erwischt. Es war ein richtiges Unwetter, das um uns herum tobte. Irgendwann regnete es durch die Windböen horizontal und wir wurden trotz Dach richtig nass.
Über eine Stunde tobte das Unwetter. Schließlich bekam unsere Tochter trockene Anziehsachen (bis auf die nassen Schuhe) und wir fuhren wieder los. Es regnete immer noch und wir mussten ein Stück zurück fahren bis wir wieder auf die Via Claudia Augusta kamen. Jetzt ging es sehr steil mit bis zu 18% Steigung hoch zur Burg Ehrenberg. Wir mussten alle schieben und die Stimmung war ziemlich im Keller. Im Regen fuhren wir unter der Highline hindurch, auf der tatsächlich noch zwei Menschen unterwegs waren. Um unsere Kleine etwas aufzumuntern, versprach ich ihr, dass sie sich am Gardasee ein kleines Kuscheltier aussuchen dürfte. Es funktionierte. Plötzlich erzählte sie mir fröhlich, dass es eine Eule sein sollte und obwohl es nochmal ordentlich bergauf ging war die Laune wieder gut. Der Weg war auf diesem Abschnitt überwiegend Schotter und an einer Stelle hatte sich der Weg durch den vielen Regen komplett in einen Bach verwandelt.
Schließlich kamen wir nach Heiterwang. Immerhin ließ der Regen zunehmend nach. Felix und ich machten uns Sorgen, unsere Unterkunft in Biberwier noch bei Tageslicht zu erreichen und dachten über einen Abbruch nach. Vielleicht könnte man ja auch den Bus nehmen… Aber den Fernpass der für den nächsten Tag anstand, wollten wir früh angehen und nicht erst noch die Räder irgendwo abholen müssen. Wir fragten die Kinder nach ihrer Meinung und beide wollten unbedingt weiterradeln. Also gut.
Nach Heiterwang wurde der Weg wieder schlechter und bei einer Abfahrt stürzte unser Sohn, verletzte sich aber zum Glück nicht. In Leermoos hörte der Regen dann endgültig auf und vor uns ragte das Zugspitzmassiv in die Höhe.
Jetzt wurden die letzten Kräfte mobilisiert und wir fuhren durch traumhaft schöne Landschaft durch das Ehrwalder Becken nach Biberwier. 50 Kilometer waren es heute inklusive der 5 km von uns zu Hause zum Bahnhof.
Unsere Wirtin empfing uns sehr freundlich und wir waren froh, dass es im Skiraum sogar einen Skischuhtrockner gab auf den wir unsere nassen Schuhe zum trocknen stecken konnten. Ich wrang meine Socken aus und meine Füße fühlen sich verschrumpelt und durchgeweicht an. Alle Vier genossen wir eine heiße Dusche und dann hingen wir unsere restlichen nassen und dreckigen Sachen auf. Jetzt hatten wir richtig Hunger. Pizza bestellen funktionierte nicht – wir fanden keine Pizzeria, die nach Biberwier liefert. Laut unserer Wirtin hatte noch ein Restaurant geöffnet. Aber als wir dort ankamen, wurde uns gesagt, dass die Küche schon geschlossen hat. Zum Glück hatten wir eine Essensration für den Campingkocher dabei, die wir in der Pension kochen durften. Inzwischen war es sehr spät geworden, aber die komplette Nudelportion wurde noch aufgegessen, bevor wir müde in die Betten fielen.